Stadtwerkechef Prof. Dr. Rolfes: “Gerade die Johannisstraße zeigt, dass ein Nebeneinander von Menschen und Bussen sehr wohl funktionieren kann.” BOB für Euch bei den Stadtwerken

Unsere Fragen an Professor Rolfes fettgedruckt, seine Antworten kursiv.

Halten Sie die Rechtsform der Stadtwerke AG als Aktiengesellschaft für eine eigentlich doch kommunale Einrichtung für vorteilhaft?

Ja. Mit ihren unterschiedlichen Geschäftsfeldern bewegt sich die Stadtwerke Osnabrück nicht nur im Bereich der Daseinsvorsorge, sondern auch am Markt. Gleichzeitig können durch die Form als Aktiengesellschaft steuerliche Vorteile zugunsten der Stadt Osnabrück genutzt werden (z. B. kommunaler Querverbund). Der kommunale Einfluss wird über die Besetzung der Aufsichtsgremien gewährleistet.

 

Die Stadtwerke AG hat Verflechtung in über 50 Beteiligungen, nach unseren Informationen kann der Aufsichtsrat nur den Konzern Stadtwerke selbst, nicht aber die 50 Beteiligungen kontrollieren ? Sind die bunt zusammengewürfelten Ratsmitglieder dazu eigentlich in der Lage ?

Derzeit sind es knapp über 40 Beteiligungen

Ja. Die meisten der Beteiligungen der Stadtwerke Osnabrück haben rein operativen Charakter und sind in das laufende Geschäft, und durch das entsprechende Berichtswesen auch in die laufende Kontrolle durch den Aufsichtsrat eingebunden. Die strategischen Beteiligungen, die darüber hinausgehen, werden durch ein qualifiziertes Beteiligungsmanagement der SWO überwacht. Auch über die daraus gewonnenen Erkenntnisse wird regelmäßig im Aufsichtsrat berichtet und diskutiert.

 

Die Stadtwerke AG muss sich auch anderen Mitbewerbern stellen – diese firmieren größtenteils privat und sind deshalb in dem Konkurrenzkampf mit einem kommunalen Konzern benachteiligt.

Aufgrund restriktiver Regelungen, insbesondere im Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetz (NKomVG), sind Unternehmen in überwiegend kommunaler Hand enge Grenzen gesetzt, denen private Wettbewerber nicht unterliegen. Hinzu kommt, dass die Stadtwerke Osnabrück vor Ort hat Auftraggeber für viele mittelständische Unternehmen ist, wodurch insgesamt zahlreiche Arbeitsplätze in Stadt und Landkreis gesichert werden.

 

Die “Cashcow” Stadtwerke muss Gewinne erwirtschaften, dies führt zu Auswüchsen wie die Kartbahn am Nettebad – ein Projekt was fast keiner will, weder viele Osnabrücker noch private Investoren, die sich hier nicht engagieren wollen.

Da bei diesem Punkt keine Frage formuliert wird, gehe ich davon aus, dass eine „Antwort“ hier nicht gewünscht ist. Wir teilen im Übrigen die Einschätzung nicht.

 

Warum muss ich, wenn ich von Bissendorf nach Ostercappeln will, über den Neumarkt fahren ?

Ein radial auf die Innenstadt von Osnabrück ausgerichtetes Busnetz innerhalb der Stadt Osnabrück, aber auch aus der Region, entspricht dem überwiegenden Verkehrsbedürfnis. Der Bus kann nicht jedes Verkehrsbedürfnis erfüllen, er ist aber das beste Verkehrsmittel, wenn zur gleichen Zeit eine gewisse Menge Menschen in die gleiche Richtung will. Tangentiale Verbindungen, die immer nur von wenigen Interessierten genutzt werden würden, sind durch andere Mobilitätsformen (z. B. Carsharing usw.) abzudecken.

 

Warum halten die Stadtwerke am Zentralen Neumarktbusbahnhof fest und verhindern so gute Alternativvorschläge wie die von der Initiative “Lebendiges Osnabrück”, welche einen Busbahnhof hinter Wöhrl ansiedeln wollte ?

Die Attraktivität des öffentlichen Nahverkehrs ergibt sich im Wesentlichen aus einer komfortablen und schnellen Verbindung. Da für 77 % der Fahrgäste die Innenstadt von Osnabrück das Ziel ist, ist ein zentraler Anlaufpunkt, der über Jahrzehnte gelernt worden ist, von unschätzbarem Vorteil. Täglich zählen wir dort 48.000 Fährgäste. Eine Veränderung der heutigen Situation (zum Beispiel durch eine Verlagerung der Verknüpfung und Umstiege auf mehrere Umsteigepunkte)
–  würde den betrieblichen Aufwand (mehr Fahrzeuge und Personal) und damit die Kosten erhöhen,
–  würde die Erreichbarkeit der Innenstadt verschlechtern,
–  würde durch einen erhöhten Fahrzeugbedarf die CO2- und NOX-Emissionen für die nächsten Jahre unnötig erhöhen
–  und wegen der längeren Fußwege die Attraktivität des heutigen Angebotes für die Fahrgäste verschlechtern. Dadurch sinkende Einnahmen und Kostendeckung.

 

Die Wohlfühloase Neumarkt, ohne Autos aber mit 2200 Busbewegungen, kann so nicht funktionieren – dies sieht man an der Johannisstraße, wo diese Konzept bereits unfreiwillig umgesetzt worden ist. Dönerläden, Handyshops und 1-Euro Shops reihen sich an den nächsten – die Johannisstraße funktioniert nur dort, wo der Autoverkehr noch zugelassen ist.

Diese Einschätzung teilen wir nicht. Gerade die Johannisstraße zeigt, dass ein Nebeneinander von Menschen und Bussen sehr wohl funktionieren kann. Die heute attraktivsten Bereiche der Innenstadt sind frei vom Individualverkehr und profitieren von einer guten Erreichbarkeit des öffentlichen Verkehrs. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass die Zahl der Busbewegungen auf dem Neumarkt 1762 beträgt. Zudem findet ein erheblicher Anteil der Busbewegungen in der morgendlichen Schülerspitze zwischen 7:00 und 9:00 Uhr, also außerhalb der üblichen Ladenöffnungszeiten, statt. Erst recht wenn der Busverkehr zunehmend elektrifiziert wird, ist ein Miteinander ohne weiteres darstellbar. Dies zeigen die bereits umgesetzten Beispiele in zahlreichen deutschen und europäischen Städten.

 

Stickoxide verschwinden nicht, in dem man diese auf den Wall verbannt, Staus wie zu den Zeiten der Neumarktsperrung produzieren deutlich mehr Stickoxide als bei einem fließenden Verkehr. Am Neumarkt wohnt fast keiner – warum unterstützen Sie die Umwidmung des Neumarktes zu einer Fußgängerzone mit 2000 Bussenbewegungen und nehmen gleichzeitig die Mehrbelastung der Wallanwohner in Kauf ?

Ziel ist eine immer weitere Steigerung des ÖPNV bei gleichzeitiger Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs. Mittel- und langfristig wird ein leistungsstarker, moderner, schneller und komfortabler ÖPNV zu einer Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs im gesamten Stadtbereich führen.

 

Das Bundesumweltamt meldete 2013, dass die Busse pro Passagier mehr Stickoxide produzieren, als ein durchschnittlich besetztes Auto – was haben den jetzt die Abgasanalysen der Stadtwerke ergeben ?

Nach unserer Kenntnis liegt die Umweltbelastung des Busses bezogen auf den Personenkilometer (PKM) erheblich unter den Belastungen des Pkw-Verkehrs. Es gilt aber auch im Busverkehr weitere Verbesserungen zu erzielen. Die Stadtwerke werden dazu im laufenden Jahr durch Nachrüstung von Bussen versuchen, dieses Ziel zu erreichen. Unser Hauptaugenmerk liegt aber auf der Elektrifizierung des Busverkehrs und damit bei einem emissionsfreien (!) ÖPNV.

 

Andere kommunale Stadtwerke fahren ihren ÖPNV auch mal defizitär, um ihren Kunden attraktive Bustickets an zu bieten – warum nicht auch bei uns in Osnabrück ?

Auch der Busverkehr in Osnabrück ist betriebswirtschaftlich defizitär – die Kosten des ÖPNV werden nicht alleine aus den Einnahmen gedeckt. Insbesondere nach der Tarifreform zu Beginn diesen Jahres haben wir attraktive zielgruppengerechte Tarife eingeführt.

 

Sehr geehrter Herr Professor Rolfes, wir danken für das Gespräch.